Ziel: Das Risiko für Patienten so klein wie möglich halten

Der „Welttag der Patientensicherheit“ soll die Stimme der Patienten stärken

Am 17. September findet der „Welttag der Patientensicherheit“ statt. Warum ist dieser so wichtig? Und worum geht es in diesem Jahr? Das erläutert Heike Anders, Leiterin des Zentralen Diensts Qualitäts- und Risikomanagement der DGD Stiftung.

Was ist der Welttag der Patientensicherheit – und warum gibt es ihn?

Heike Anders: Der Tag wurde erstmals 2015 vom Aktionsbündnis Patientensicherheit als internationaler Tag der Patientensicherheit ausgerufen. 2019 griff die Weltgesundheitsorganisation WHO diesen Tag als Welttag der Patientensicherheit auf. Ziel ist es, Aufmerksamkeit für die Patientensicherheit zu schaffen und das öffentliche und politische Interesse zu erhöhen. In unseren Einrichtungen bietet er die Gelegenheit, das Bewusstsein sowohl bei den Mitarbeitenden als auch bei Patientinnen und Patienten und bei den Angehörigen gleichermaßen für Sicherheitsthemen zu schärfen. Er kann zum Anlass genommen werden, neue Schritte für mehr Patientensicherheit auf den Weg zu bringen. Er bietet jedoch auch die Chance, all das, was in unseren Häusern bereits etabliert wurde, erneut in den Fokus zu bringen. Mitarbeiter- und Patientensicherheit sind eng miteinander verwoben, daher ist es immer auch Ziel, die Sicherheit der Mitarbeitenden zu erhöhen.

Der Tag steht dieses Jahr unter dem Motto „Stimme der Patienten stärken“ – was ist damit gemeint?

Anders: Es geht einerseits darum, die Mitarbeitenden in unseren Häusern dafür zu sensibilisieren, die Stimme der Patienten und deren Familien noch deutlicher zu hören und sie mit einzubinden. Es geht aber auch darum, des Engagement der Patienten zu stärken. Denn mit ihrer Stimme können und sollen sie uns auch helfen. Sie haben selbst eine bedeutende Rolle in der Gesundheitsversorgung. Dazu müssen Sie uns aber das ein- oder andere erzählen – zum Beispiel, welche Medikamente sie nehmen oder welche Allergien sie haben. Nur so können wir sicherstellen, dass die Patienten bestimmte Medikamente nicht bekommen, weil sie darauf allergisch reagieren würden oder es zu Wechselwirkungen mit anderen Präparate käme. Die Aufklärungsgespräche mit den Ärzten sind immens wichtig: Dort sollten Patienten auf jeden Fall alle Fragen zu ihrer eigenen Sicherheit wahrheitsgemäß beantworten – aber auch alles abfragen, was ihnen unklar ist. Der Patient sollte uns aber beispielsweise auch von seiner häuslichen Situation nach der Entlassung erzählen, damit wir entsprechend reagieren können und er zu Hause versorgt ist, wenn er aus dem Krankenhaus kommt. Und auch nach ihrem Aufenthalt in unseren Krankenhäusern können uns unsere ehemaligen Patienten helfen, die Patientensicherheit zu erhöhen – wenn sie nämlich ihre Erfahrungen in unseren Einrichtungen mit uns teilen

Wie können Patienten noch zu ihrer eigenen Sicherheit beitragen?

Anders: Wir müssen ihn etwa darüber aufklären, welche Medikamente er wann in der Klinik bekommt. Dann kann er uns beispielsweise gezielt fragen, warum plötzlich eine Tablette dabei ist, die es am Vortag nicht gab – oder es fehlt eine. Wenn der Patient die Vermutung hat, dass etwas nicht stimmt, soll er uns das angstfrei sagen, ohne die Furcht, dann als Querulant abgestempelt zu werden. Ein weiteres Beispiel: Wenn er sieht, dass sich Arzt oder Pflegekraft vor oder nach einer Behandlung die Hände nicht desinfiziert hat, sollte er das aktiv ansprechen. Aufgeklärte Patienten tragen dazu bei, dass sich die Sicherheit in Krankenhäusern erhöht.

Was sind beispielsweise Dinge, die zur Sicherheit der Patienten im Krankenhaus geschehen?

Anders: Jeder Patient erhält beispielsweise ein Patienteninformationsarmband, auf dem die wichtigsten Daten hinterlegt sind. Vor einer Operation wird er an mehreren Stellen nach seinem Namen gefragt. Das hat nichts damit zu tun, dass das Personal nicht weiß, wer er ist – sondern dient dazu, eine Verwechslung wirklich auszuschließen. Insgesamt werden mehrere Parameter immer doppelt abgefragt, damit die Sicherheit erhöht wird. Der Patient sollte davon nicht genervt sein, im Gegenteil: Wenn wir Daten mehrfach abfragen, dann bedeutet das nicht, dass wir es nicht wissen – sondern weil wir uns vergewissern wollen, dass wir auch bestimmt den richtigen Patienten vor uns haben. Auch hier liegt es wieder an uns den Patienten einzubeziehen: Wir sollten ihm die häufige und wiederholte Abfrage erklären, damit er versteht, dass dies seiner Sicherheit dient.

Welche Informationen stehen eigentlich auf dem Patienteninformationsarmband?

Anders: Es gibt verschiedene Versionen. Meist sind es die Stammdaten wie Nachname, Vorname und Geburtsdatum und die Station. Andere haben noch Barcodes, den man nutzen kann, dem Patienten Informationen zuzuordnen, wie etwa Medikamente oder Allergien. Übrigens können Patienten das Armband auch ablehnen, beispielsweise aus Angst, dass jeder die Daten lesen kann – dann dokumentieren wir das. Aber jeder Patient sollte sich durch unsere verständliche Aufklärung bewusst sein, dass das Armband seine Sicherheit unterstützt.

Was geschieht denn beispielsweise bei Operationen, damit der Patient sicher ist?

Anders: Es gibt eine detaillierte Checkliste, die immer abgearbeitet werden muss – vergleichbar mit der Situation von Pilot und Co-Pilot vor dem Flugzeugstart. Um die Sicherheit des Patienten zu erhöhen, werden schon vor der Anästhesie alle Geräte gecheckt. Es wird überprüft, dass alle benötigten Medikamente vorliegen, dass das Intubationssetz vorbereitet ist. Wenn man im Vorfeld schon weiß, dass der Patient beispielsweise eine Latex-Allergie hat, muss das Material entsprechend gewechselt werden. Und jeder Mitarbeitende muss natürlich dafür Sorge tragen, dass er die für die Operation benötigten Instrumente hat. Wenn der Patient Prothesen oder Implantate bekommt – sind die vorhanden? Werden Blutkonserven benötigt – und sind die da? Und es wird anhand des OP-Plans überprüft, ob dort Besonderheiten vermerkt sind, etwa, dass der Patient einen Herzschrittmacher hat – im Vorfeld der Operation finden schon ganz viele Sicherheitschecks statt, bevor der Patient überhaupt da ist. In die Checkliste sind verschiedene Sicherheitsmechanismen eingebaut – wenn dort die Bedingungen nicht stimmen, kommt es sofort zum Stopp.

Das ist ja schon eine ganze Menge. Gibt es noch mehr?

Anders: Ja, wenn der Patient im OP ist. Dann ruft – meist der Anästhesist – das „Team-Time-out“ aus. Das heißt, es wird innegehalten und noch einmal überprüft: Ist es der richtige Patient? Was wird operiert? Ist es die richtige Seite? Sind Komplikationen vonseiten der Anästhesie oder des Operateurs zu erwarten? Denn dann hat jeder die wesentlichen Informationen noch einmal gehört und ist vorbereitet. Und: Es stellt sich jeder tatsächlich noch einmal vor.

Aber man kennt sich doch?

Anders: Ja, dennoch wird es gemacht, um zu wissen: Wer steht denn alles im OP? Manchmal gibt es ja auch Hospitanten oder Praktikanten.

Und was geschieht nach dem Team-Time-out?

Anders: Dann beginnt die Operation. Im Vorfeld hat die OP-Pflege ihre Instrumente gezählt, weiß genau, ich habe fünf Klemmen, fünf Scheren, sieben Tupfer und drei Nadeln. Die OP-Pflege reicht dem Operateur die Instrumente an, nimmt sie auch wieder entgegen – und zählt die Instrumente auch vor dem Ende der Operation, bevor die Operationswunde vernäht wird, wieder, um sicherzustellen, dass alle Instrumente aus dem Patienten heraus sind.

Ein großer Sicherheitsfaktor ist auch der Umgang mit histologischen Proben, etwa beim Verdacht auf Krebs: Die Proben müssen mit größter Sorgfalt beschriftet und verpackt werden, damit sie auf keinen Fall verloren gehen. Denn sonst muss der Patient schlimmstenfalls ein weiteres Mal operiert werden.

Wenn die Operation erfolgt ist: Was geschieht dann?

Anders: Es wird zunächst kontrolliert, ob der Patient eventuell einen Lagerungsschaden oder Verbrennungsschaden erlitten hat, was dokumentiert wird. Dann wird er im Aufwachraum kontinuierlich überwacht. Und bevor er auf die Allgemeinstation kommt, werden noch einmal Bewusstsein, Schmerzzustand und weitere Parameter kontrolliert. Erst im Anschluss wird er auf die Station verlegt, wo eine Übergabe mit wichtigen Daten zu Operation und weiteren Schritten für den ersten postoperativen Tag erfolgt.

Wie kann die Digitalisierung zu mehr Patientensicherheit beitragen?

Mit der zunehmenden Einführung von elektronischen Patientenakten und auch der digitalen Gesundheitskarte können Patientendaten schneller und sicherer geteilt werden, was dazu beitragen kann, die Versorgung der Patientinnen und Patienten zu verbessern. Wenn ein Patient beispielsweise eine Allergie gegen Penicillin hat und das Personal seinen Medikamentenplan eingäbe, in dem Penicillin vorkäme, würde das System sofort eine Warnung ausspucken. Voraussetzung dafür ist, dass der Patient seine Daten auch mit uns teilt. Insgesamt bietet die Digitalisierung des Gesundheitswesens eine Chance, die Qualität der Versorgung zu verbessern, die Effizienz zu steigern und die Transparenz zu erhöhen, um die Bedürfnisse von Patientinnen und Patienten besser zu erfüllen.

 

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